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Rede zum Antrag der CDU "Extremismusvorfälle an niedersächsischen Schulen effektiv nachverfolgen" (14.12.2023)

Top 49 - Drs. 19/3033
 

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Rede in Textform

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Ich freue mich sehr, dass wir heute zum Ende des Plenarabschnitts die Möglichkeit bekommen, über dieses wichtige Thema zu sprechen.  Der Antrag der CDU-Fraktion enthält durchaus wichtige Punkte. Ich denke, mir können die meisten in der CDU-Fraktion auch zustimmen, dass es da keine zwei Meinungen geben darf. 

Auch meine Fraktion nimmt eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung wahr. Das erneute Zusammenrücken der Gesellschaft ist daher für uns von großer Bedeutung. Mich verwundert aber sehr, dass gerade die CDU die Polarisierung in der Gesellschaft anspricht. 

So sprach Ihr Bundesvorsitzender Friedrich Merz doch gerade von „kleinen Paschas“ in den Schulen und von abgelehnten Asylbewerberinnen und -bewerbern, die den Bürgerinnen und Bürgern in den Zahnarztpraxen die Plätze wegnehmen würden. 

(Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Das ist aber weit hergeholt!) 

Oder Ihr Generalsekretär Linnemann, der regelmäßig das Bürgergeld kürzen und die Kindergrundsicherung am liebsten gleich vollkommen streichen möchte! 

(Jörg Hillmer [CDU]: Kritik an Rot-Grün ist ja noch keine Polarisierung!)

 - Na ja. Und von Ihrem Vorsitzenden der Schwesterpartei in Bayern möchte ich gar nicht erst anfangen.

(Zuruf von der AfD: Der hat aber öfter Mal recht! - Jörg Hillmer [CDU]: Sie wollen nicht mehr kritisiert werden!) 

Liebe CDU, wer der zunehmenden Polarisierung in unserem Land entgegentreten möchte, der sollte sich auch vom populistischen Diskurs fernhalten. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die Haltung Ihrer Partei ist in dieser Frage allerhöchstens mit der Schulnote mangelhaft zu bewerten. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hat der Kampf gegen Rechtsextremisten und die Feinde unserer Demokratie eine lange Tradition. Für uns steht fest: Rechtsextremismus, Ausgrenzung, Diskriminierung stehen wir entschieden entgegen. 

Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Faschismus hat für uns höchste Priorität. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Um die Demokratie und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger muss immer wieder gekämpft werden. Doch wer unsere Demokratie und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen will, der muss auch klar benennen, wer diese gefährdet. Ein falsches Signal sendet man dann, wenn man die Partei Bündnis 90/Die Grünen zum politischen Hauptfeind erklärt und nicht die in weiten Teilen rechtsextreme Partei AfD. 

(Ansgar Georg Schledde [AfD]: Na, na, na!) 

Denn die größte Gefahr für unser Land geht von rechts außen aus. Als Demokratinnen und Demokraten müssen wir genau das kommunizieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Rykena, ich möchte auch deutlich machen, dass ich nicht von Ihnen darüber belehrt werden möchte, was Extremismus ist und was nicht. Aber gut!

(Alfred Dannenberg [AfD]: Das war uns schon klar! - Heiterkeit bei der AfD)

 Mit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich unsere Welt verändert. Seit der Schoah sind nicht mehr so viele Jüdinnen und Juden getötet worden. Als Bundesrepublik Deutschland und als Land Niedersachsen stehen wir gemäß unserer Staatsraison solidarisch an der Seite des Staates Israel. Für uns ist klar, dass jüdisches Leben verteidigt werden muss.  Darüber hinaus hat der Angriff der Hamas dazu geführt, dass Antisemitismus wieder vermehrt Einzug in den politischen Diskurs und unsere Gesellschaft gefunden hat. 

Israel wird dämonisiert, Synagogen werden angegriffen, und Jüdinnen und Juden fühlen sich nicht mehr sicher. 

(Zuruf von der AfD: Aha!)

 Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, und wir müssen ihm in jeglicher Form entgegentreten. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Alfred Dannenberg [AfD]: Wer hat die Antisemiten denn reingeholt?)

Und ja, der Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus muss auch in unseren Schulen thematisiert werden. Verfassungsfeindliches Gedankengut und rechtsextremistische Positionen bei Schülerinnen und Schülern sind ernst zu nehmen. Rechtsextremisten und Verfassungsfeinde nutzen das Internet und vor allem die sozialen Medien, um ihre Propaganda zu verbreiten und mit Fake News Stimmung gegen die Demokratie zu machen, sodass Schülerinnen und Schüler immer mehr und immer häufiger mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert werden. 

Als Heranwachsende sind Schülerinnen und Schüler besonders beeinflussbar und deshalb besonders vor verfassungsfeindlichem Gedankengut zu schützen. Rechtsextremistische und antisemitische Ansichten in Schulen nehmen wir daher ernst. Für uns ist klar: Wer die Demokratie verteidigen möchte, der muss sie auch fördern. Daher haben wir als SPD und Grüne ein Landesdemokratiefördergesetz auf den Weg gebracht. Wir wollen die demokratiestärkende Präventionsarbeit weiterentwickeln 

(Zuruf von der AfD: Steuergeld!) 

und dem Infragestellen von demokratischen Grundsätzen gerade bei Schülerinnen und Schülern entgegentreten. Wir müssen darüber hinaus sicherstellen, dass auch die Schulen sicher sind vor Angriffen von rechts. Sie müssen sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte Schutzräume sein, die frei sind von rechten populistischen Angriffen. 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) 

Wenn die AfD mit dem Hinweis auf den Beutelsbacher Konsens - also dem politischen Neutralitätsgebot für Lehrkräfte - Schülerinnen und Schüler auffordert, ihre Lehrerinnen und Lehrer, die sich klar gegen die AfD positioniert haben, zu melden, dann müssen wir klar an der Seite der Lehrkräfte stehen. 

Solche Forderungen Ihrer Partei, Herr Rykena, sind nicht nur perfide, sondern schaden auch unserer Demokratie.

 (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Harm Rykena [AfD]: Aha!) 

Die Demokratie muss wehrhaft sein, besonders in den Schulen. Ich bin unseren Lehrkräften dankbar für ihre Standhaftigkeit. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eines hinzufügen: Lehrerinnen und Lehrer müssen auf die Vielfalt des politischen Raums hinweisen.

 (Beifall bei der AfD)

 Aber man kann ihnen doch nicht ihre Meinung verbieten, und das ist genau richtig so! 

(Harm Rykena [AfD]: Genau das wollen Sie nicht!)

 - Ja, klar! 

Kommen wir nun zurück zum Antrag.  Nach der aktuellen Rechtslage und dem Erlass des Kultusministeriums haben Lehrkräfte die Pflicht, politische oder religiöse Straftaten der Polizei zu melden und anzuzeigen. Nach Ihrem Entschließungsantrag gehen Sie nun über die aktuelle Rechtslage hinaus und fordern in den Punkten 2 bis 5 die zusätzliche Dokumentation von extremistischen Vorfällen. Nach Ihrem Antrag sollen die Vorfälle gesondert erfasst werden und soll für Lehrkräfte eine entsprechende Meldepflicht eingeführt werden. 

Auch wenn ich mich auf die anschließende Beratung über diese Punkte im zuständigen Ausschuss freue, möchte ich Ihnen bereits zwei Fragen mit auf den Weg geben:  Zum einen wird aus Ihrem Antrag nicht deutlich, wie die Dokumentation von Vorfällen präventiv wirken soll.  Zum anderen bekommen die Lehrerinnen und Lehrer einen nicht klar definierten Beurteilungsspielraum, der nicht klar zum Ausdruck bringt, wann ein extremistischer Vorfall vorliegen soll. 

Dies kann bei einer Meldepflicht für Lehrkräfte und Schulleitungen zu erheblichen Ausgrenzungsproblemen führen. So könnte sich für Lehrkräfte die Frage stellen, ob das Kleben eines politischen Stickers bereits einen meldepflichtigen rechtsextremistischen Vorfall darstellt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht jede Handlung eines Schülers oder einer Schülerin gleich als rechtsextremistische Tat zu betrachten ist. Schülerinnen und Schüler befinden sich in ihrer Entwicklung, und zum Teil fehlt die Einsichtsfähigkeit. 

Die Tat könnte also auch andere Gründe gehabt haben. Es würde mich daher freuen, wenn Sie, Frau Bauseneick, sich bis zu den Beratungen im Ausschuss schon einmal darüber Gedanken machen würden, wie Sie auf diese Fragen antworten können.

 Abschließend möchte ich noch auf den letzten Punkt Ihres Antrags eingehen, liebe CDU. Die demokratischen Kräfte in diesem Hause - und dazu zähle ich Sie ausdrücklich - haben sich gemeinsam darauf verständigt, für die Gedenkstätten nicht unerhebliche Mittel im Rahmen des soeben beschlossenen Haushalts bereitzustellen.  

Ich finde es daher etwas eigenartig - und tatsächlich auch bedenklich -,

  (Glocke des Präsidenten) 

dass Sie nun bereits wenige Minuten später diesen Weg verlassen, den wir gemeinsam gegangen sind, und diese Forderung in Ihrem Antrag alleine stellen möchte.

 Kollegiale Zusammenarbeit sieht anders aus.