Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen Gesetzentwurf der Landesregierung(18.11.2025)
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Meine Rede zum: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 19/8643
Rede in Textform
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir beraten heute über die Novelle des niedersächsischen Juristenausbildungsgesetzes. Dieser Gesetzentwurf enthält verschiedene Anpassungen, aber bei der juristischen Ausbildung steht für mich auf jeden Fall ein Punkt im Mittelpunkt: die Möglichkeit des E‑Examens.
Natürlich gibt es weitere wichtige Änderungen: eine klare Struktur des Gesetzes, neue Regelungen für den Vorbereitungsdienst. Das alles ist sinnvoll, das alles ist notwendig. Aber wenn man sich draußen umhört, an den Universitäten, in den Bibliotheken, unter den Referendarinnen und Referendaren, dann ist sofort spürbar, worüber wirklich gesprochen wird: die Möglichkeit, das Examen endlich digital zu schreiben.
Das ist kein technischer Schnickschnack. Es geht um eine Grundfrage: Was prüfen wir, und wie prüfen wir? Wir wollen doch herausfinden, ob jemand unter Zeitdruck einen Sachverhalt erfasst, sortiert und juristisch präzise bewertet, ob jemand eine klare Linie findet, das Wesentliche herausarbeitet und zu einem verlässlichen Ergebnis kommt. Das ist der Anspruch eines juristischen Examens. Was wir dagegen nicht mehr prüfen wollen ‑ jedenfalls nicht im Jahr 2025 ‑, ist, wie gut jemand nach einigen Stunden mit Schmerzen im Handgelenk lesbar schreiben kann. Und trotzdem ist genau das hin und wieder in der einen oder anderen Prüfung dann doch ein Faktor.
Jede und jeder, die oder der schon einmal im Ersten oder Zweiten Staatsexamen saß, kennt die Realität und damit die ständige Sorge, dass die Schrift auf Seite 17 so unleserlich wird, dass die Prüferin oder der Prüfer den Gedankengang vielleicht nicht mehr ganz nachvollziehen kann. Es ist schwer zu erklären, warum solche Zufälligkeiten in einem hoch komplexen Prüfungsverfahren doch noch eine Rolle spielen könnten.
Und das ist dann irgendwie auch nicht gerecht. Denn wir alle wissen: Häufig scheitern die Menschen nicht an der juristischen Leistung, sondern einfach daran, dass die Hand vielleicht schneller aufgibt als der Kopf. Dabei schreibt in der Praxis niemand mehr per Hand: weder Richterinnen noch Staatsanwälte, weder in den Behörden noch in den Kanzleien. Die Justiz arbeitet längst digital; die Ausbildung muss das spiegeln.
Das E‑Examen macht die Prüfung fairer, es verlagert den Fokus auf den Inhalt, und es nimmt künstlich erzeugten Stress heraus. Niemand muss mehr 30 Minuten früher aufhören, um die letzten Seiten mühsam zu überarbeiten. Niemand verliert mehr Punkte, weil er vielleicht auf Seite 4 keinen Platz zum Korrigieren gelassen hat. Die Prüfung wird dadurch nicht leichter. Der Druck bleibt hoch, aber die Belastung wird sinnvoller und richtig umgemünzt.
Ich möchte es an dieser Stelle einmal klar und deutlich sagen: Man muss nicht durch das Tal der Tränen gehen, um ein guter Jurist oder eine gute Juristin zu sein. Examen sollen anspruchsvoll sein, aber nicht Sehnenscheidenentzündungen hervorrufen. Das ist ein Fortschritt, und es ist ein Ausdruck von Respekt gegenüber den Prüflingen. Sie schreiben nicht nur eine Klausur - die Examina entscheiden über ihre gesamte berufliche Laufbahn. Sie haben Anspruch auf faire Bedingungen. Deshalb ist das E‑Examen so wichtig, und es ist richtig, dass wir das jetzt umsetzen.
Frau Ministerin Wahlmann, ich will das klar sagen: Vor 2022 gab es hierzu viele Gespräche, aber irgendwie doch wenig Bewegung. Jetzt liegt ein durchdachter Vorschlag vor, der auch umgesetzt wird. Das ist zuallererst Ihnen und Ihrem Haus zu verdanken.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Sie haben das Thema ernst genommen. Sie sind es strukturiert angegangen, haben es abgestimmt und vorangetrieben.
Ich möchte zum Schluss ein Beispiel nennen, das zeigt, warum dieser Schritt mehr als eine Formalie sein kann und wird. Ein guter Freund von mir ‑ nennen wir ihn Lukas ‑ hat sein Examen in Thüringen geschrieben, und zwar am Computer, erfolgreich und mit Prädikat. Lukas ist juristisch präzise, er denkt klar und strukturiert. Seine Handschrift aber - nun ja, ich würde sagen, das ist nicht die schönste. In einem rein handschriftlichen Examen wäre das vielleicht für ihn zu einem Problem geworden - nicht, dass seine Leistung nicht gestimmt hätte, aber sie wäre möglicherweise gar nicht vollständig erfasst worden wäre. Ich sage es ganz ehrlich: Ich kann sie nicht erfassen.
Das ist kein Einzelfall und keine Folklore. Das zeigt ein strukturelles Risiko. Wenn der Zugang zum Beruf auch davon abhängen kann, wie gut ein Prüfer eine Handschrift entziffern kann, dann haben wir ein Systemproblem. Es geht hier nicht um Nachsicht. Es geht um Gerechtigkeit, um faire Bedingungen und darum, juristische Qualität dort zu erkennen, wo sie liegt: im Denken, im Argumentieren und im Ergebnis.
Mit dem E‑Examen stellen wir das sicher. Und wir stellen sicher, dass Menschen nicht mehr gezwungen sind, außerhalb von Niedersachsen zu studieren, nur weil sie vielleicht an dieser Stelle das Gefühl haben, damit ihre Chancen zu verbessern. Wir schaffen hier konkret Chancen und Möglichkeiten. Deshalb ist dieser Schritt so wichtig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)